Trotz noch mehr Terminen – auf was freuen Sie sich im Präsidialjahr?
Zu meinen Aufgaben gehört es, die Bundesratssitzungen zu leiten. Das ist eine wichtige Aufgabe. Wir haben im Bundesrat ein gutes Verhältnis untereinander, auch wenn manchmal etwas anderes kolportiert wird. Für mich ist es wichtig, eine angenehme Ambiance zu schaffen. Dass wir also in der Sache sehr wohl hart miteinander diskutieren, aber auf der persönlichen Ebene trotzdem ein gutes Einvernehmen haben. Das geht am besten mit Humor und ist meine Art, eine gute Atmosphäre zu schaffen.

Gibt es Freundschaften innerhalb des Bundesrates?
Ja. Wir verbringen so viel Zeit miteinander, dass wir uns automatisch nahestehen. Nebst den Bundesratssitzungen gibt es bilateral immer wieder Dinge zu besprechen.

Es heisst, 2024 werde ein besonders wichtiges Jahr. Wie sehen Sie das?
Es wird sicher ein Jahr mit vielen Herausforderungen für die Schweiz. Man muss sich nur die geopolitische Lage anschauen: Es sieht leider nicht nach einer Entspannung aus – ob im Ukraine-Krieg oder mit der prekären Lage im Nahen Osten. Auch auf dem Balkan hat die Instabilität wieder zugenommen, es gibt immer mehr Cyberattacken, vieles ist unsicher. Das internationale Umfeld ist schwierig – und mittendrin die Schweiz, für die wichtige Verhandlungen anstehen, gerade mit der EU.

Wie nahe sind Sie an der Schweizer Bevölkerung dran? Kommt es zu spontanen Begegnungen, wenn Sie einkaufen gehen?
Wir haben in der Schweiz das grosse Glück, dass wir uns als Mitglieder des Bundesrates frei bewegen können. Bei offiziellen Anlässen ist die Polizei für unsere Sicherheit besorgt. Aber privat bin ich auch mal alleine unterwegs, wenn ich in Bern oder Brig einkaufen gehe. Ich werde dabei oft von den Menschen angesprochen. Mich freuen diese spontanen Begegnungen. Viele bedanken sich für meine Arbeit oder stellen eine Frage, aber alles verläuft sehr freundlich. Vor der Kampfjet-Abstimmung ging ich einmal alleine zu meiner Wohnung. Es war dunkel, als plötzlich ein Jogger auf mich zulief und sich vor mir aufbaute. Da war mir nicht mehr ganz geheuer. «Frau Amherd», sprach er mich an, «Sie machen einen Superjob! Ich werde aber trotzdem mit Nein stimmen!» Da war ich erleichtert: Wenn es nur das ist! (Lacht.)

Wie stimmten Sie, die heutige Armeechefin, 1989 bei der Armeeabschaffungsinitiative ab?
Ich stimmte mit Nein. Das war mir zu radikal.

Aber Sie waren damals, wie Sie später in einem Interview erklärten, durchaus kritisch gegenüber der Armee eingestellt.
Ich hatte früher tatsächlich keinen grossen Bezug zur Armee. Mein Vater war ein einfacher Soldat. Als ich geboren wurde, als Nachzüglerin 14 Jahre nach meiner Schwester, hatte er seine Diensttage bereits hinter sich. Als Stadträtin in Brig bekam ich dann hautnah mit, wie die Armee die Menschen nach der Unwetterkatastrophe von 1993 unterstützte. Da sah ich deren Sinn und Wichtigkeit. Ohne die Armee hätten wir die Situation und die Aufräumarbeiten nicht stemmen können.

Wo waren Sie damals genau, als die Wassermassen die Innenstadt von Brig überfluteten?
Als das Wasser kam, hielt ich mich in der Advokatur im ersten Stock auf. Autos wurden mitgerissen und prallten gegen die Schaufenster der Läden. Vis-à-vis versuchten zwei Angestellte eines Schuhgeschäfts, die Wassermassen abzuwehren. Irgendwann schlossen sie die Tür und begaben sich ins Ladeninnere. Eine Bewohnerin in unserem Haus beruhigte uns dann, dass es im Schuhgeschäft einen Hinterausgang gebe. Später stellte sich heraus, dass dieser Ausgang mit Regalen verstellt war. So schafften sie es leider nicht mehr aus dem Keller und verstarben.

Die Armee ist immer noch eine Männerbastion. Spüren Sie Widerstände, weil Sie als Frau dem VBS vorstehen?
Nein. Für mich ist das sowieso keine neue Situation. Ich war in vielen meiner politischen Funktionen als Frau in der Minderheit. Dabei belegen Studien, dass gemischte Teams mit verschiedenen Ansichten für bessere Resultate sorgen. Ich bin deshalb daran, im Departement gezielt Frauen zu fördern: Jedes Amt soll den Frauenanteil pro Jahr um mindestens ein Prozent erhöhen. Was aber nicht einfach ist, weil in vielen dieser technischen Berufe – denken Sie etwa an das Ingenieurwesen – der Frauenanteil leider sehr tief ist. Es braucht sicher seine Zeit, aber wir bleiben dran.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Sportministerin?
Der Final von 2019 zwischen Roger Federer und Novak Djokovic in Wimbledon war besonders …

… auch wenn der Schweizer trotz zweier Matchbälle noch verlor?
Es war trotzdem ein wahnsinnig spannendes Erlebnis. Oder der Sieg von Mujinga Kambundji an den European Championships in München: einfach super. Und auch mein Besuch am PluSport-Tag: grossartig, welche Leistungen die Sportlerinnen und Sportler mit einer Beeinträchtigung im Rahmen ihrer Möglichkeiten erbrachten. Oder die Youth Olympic Games in Lausanne. Das sind besondere Erlebnisse.

Müsste sich die Schweiz nicht eher auf solche Events konzentrieren, statt unbedingt die Olympischen Winterspiele durchführen zu wollen, die einen gigantischen Aufwand bedingen?
Die European Championships sind Anlässe, die wir gut organisieren könnten. Dazu laufen auch Überlegungen. Wir müssen diese Events als Ganzes sehen. Deshalb haben wir zusammen mit den Sportverbänden eine Strategie zu den Grossanlässen entwickelt. Trotzdem unterstütze ich auch die Idee, dass sich die Schweiz um die Olympischen Winterspiele 2038 bemüht. Weil das vorliegende Konzept, auf bestehende Sportanlagen zu setzen, einen guten Ansatz bietet.

Aber 2038 ist schon sehr weit weg.
Das sehe ich eher als Chance, um alle offenen Fragen zu klären. Es gibt noch genug zu tun.

«Mich freuen die spontanen Begegnungen»